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Rainer Wieland nach dem Referendum: Schluss mit der Nabelschau

„Mit der Nabelschau muss jetzt Schluss sein“, sagte EUD-Präsident Rainer Wieland am Morgen nach dem britischen Referendum über den Austritt des Landes aus der Europäischen Union. „Europa hat über viele Monate wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt, Stillstand war die Folge. Jetzt muss wieder an europäischen Lösungen gearbeitet werden, aber nicht im Kleinklein irgendwelcher Detailregelungen.“

Hier seien insbesondere Berlin und Paris in der Verantwortung. „Wir können nicht bis nach den Präsidentschaftswahlen in Frankreich und den Bundestagswahlen in Deutschland warten.“ Die Zurückhaltung habe sich auch im britischen Fall nicht ausgezahlt. „Es müssen jetzt unverzüglich Schritte unternommen werden, die zeigen, dass Europa handlungsfähig ist.“ Jetzt sei klar, dass es ohne das Vereinigte Königreich weitergehen müsse und auch weitergehen werde. Für Trauerarbeit bleibe nicht viel Zeit. „Wir müssen den Trend zu nationalen Alleingängen stoppen, wieder an überzeugenden europäischen Lösungen arbeiten, denn es liegen viele unbewältigte Aufgaben vor uns.“

Wieland zeigte sich dennoch betroffen über den Ausgang des Referendums. „Das Ja zum Austritt hat mich enttäuscht, denn ich hätte nicht gedacht, dass die Briten sich aufs Glatteis führen lassen.“ Eine Mehrheit der Briten habe sich klar gegen die weitere Zusammenarbeit in den gemeinsamen Institutionen ausgesprochen. „Mehrheit ist Mehrheit, die Entscheidung ist gefallen. Damit müssen jetzt alle leben.“ Nun stünden mehrjährige Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem sich von ihr lösenden Vereinigten Königreich an. Privilegien dürfe und werde es für Großbritannien allerdings nicht geben, ist der Vizepräsident des Europäischen Parlaments überzeugt.

„Europa war und ist kein Rosinenkuchen. Es wird kein zweites Angebot mit einem weiteren Referendum geben. Die Austrittsverhandlungen werden hart geführt, auch um anderen Ländern keinen Anreiz zu geben. Wer weiterhin in den Genuss einzelner Segnungen des Binnenmarktes kommen will, muss dafür auch Gegenleistungen erbringen, so wie dies heute schon die Schweiz und Norwegen tun.“ Norwegen zahle zum Beispiel pro Kopf mehr als die Briten bisher.

Für die Europäische Union sei es nun an der Zeit, das Augenmerk wieder auf konkrete Politik zu lenken. „Die EU darf sich nicht weiter mit sich selbst beschäftigen. Wir müssen uns jetzt endlich den eigentlichen Herausforderungen unserer Zeit stellen.“ Diese seien vor allem die wirtschaftliche Entwicklung und der soziale Zusammenhalt, Europas Innovationspotential und die innere und die äußere Sicherheit. „Daran ändert auch der nun bevorstehende Austritt eines Mitglieds nichts, das immer schon mit der Gemeinschaft gefremdelt hat.“